Hochsensibilität als Forschungsprojekt in der Psychologie

In vielen Presseartikeln wird immer wieder bezweifelt, ob es Hochsensibilität tatsächlich gibt und ob es sich dabei nur um eine Modeerscheinung handelt. Es wird oft behauptet, dass es kaum Forschungsarbeiten dazu gibt, doch das ist nicht korrekt. Tatsache ist, dass Dr. Elaine Aron und ihr Mann Art in den 90-er Jahren umfangreiche wissenschaftliche Untersuchungen an der Universität in Kalifornien zur Hochsensibilität vorgenommen haben. Ihr Ratgeber „Sind Sie hochsensibel?“ von Aron wurde in viele Sprachen übersetzt und zeigt damit, wie groß das öffentliche Interesse weltweit ist.

Demnach ist Hochsensibilität keine Krankheit oder Einbildung, sondern ein solides Konzept aus der Persönlichkeitspsychologie.

Es gibt mittlerweile mehr als 50 Universitäten weltweit, die zur Hochsensibilität forschen und es werden jeden Tag mehr. Auch in Deutschland werden mittlerweile viele Masterarbeiten und einige Doktorarbeiten zur Hochsensibilität verfasst.

Trotz umfangreicher Untersuchungen wird das Konzept der Hochsensibilität bis heute von unterschiedlichen Wissenschaftlern in Frage gestellt und kontrovers diskutiert. Die überaus große Nachfrage von Seiten der Leser und Ratsuchenden zeigt jedoch, dass das Phänomen eine große Resonanz in der Öffentlichkeit findet. Dies kann ich aus eigener Erfahrung nur bestätigen. Da Hochsensibilität keine Krankheit ist, gibt es leider auch von Seiten der Praktiker Widerstand. Ohne Diagnose können Ärzte, Psychotherapeuten und Psychiater nicht arbeiten.

Die Anerkennung der Hochsensibilität könnte in der Heilkunde der Neuzeit wichtige Impulse geben, um die Hintergründe einer Erkrankung zu verstehen und zu wissen, was der sensible Mensch zum Gesundwerden braucht. Dazu gehören in erster Linie die verständnisvolle Annahme der eigenen Konstitution und das Einstehen für die hochsensiblen Bedürfnisse. Viele sensitive, an sich positive, Eigenschaften wurden in der Vergangenheit von Eltern, Lehrern und weiteren Autoritäten fehlgedeutet. Ohne Korrektor der ungerechten Abstempelung Hochsensibler werden diese Prägungen das negative Selbstbild über viele Jahrzehnte aufrecht halten.

Tatsächlich gab es in der traditionellen europäischen Medizin früher noch das Konzept der Temperamentenlehre, ähnlich dem Ayurveda in Indien. Elaine Aron betont in ihren Büchern immer, dass Hochsensibilität ein Temperament ist. Damals beobachten Ärzte noch genau, welche Konstitution ein Mensch hat und waren sich darüber bewusst, welche Auswirkungen diese auf die Gesundheit ihrer Patienten hatten. Sie unterschieden vier Typen: den Sanguiniker, Choleriker, Melancholiker und Phlegmatiker. Zwischen dem Melancholiker und dem Hochsensiblen gibt es sehr viele Übereinstimmungen. Es gibt auch Autoren, wie Martin Bertsch aus der Schweiz, der Hochsensibilität als fünftes Temperament bezeichnet und dies philosophisch und phänomenologisch begründet. Ich begrüße diese Entwicklung sehr.

Wenn wir die heutige Forschung zur Hochsensibilität als Weiterentwicklung der Jahrtausende alten Temperamentenlehre verstehen könnten, würden wir somit an alte und bewährte Konzepte anknüpfen. In unserem kollektiven Bemühen, uns von überholten und scheinbar unwissenschaftlichen Vorstellungen zu befreien, sind wir Menschen aus dem Industriezeitalter viel zu intellektuell geworden. Alles muss statistisch beweisbar sein. Unser rationaler Verstand braucht Schwarz auf Weiß einen Beweis. Und wenn diese Statistiken vorgelegt werden, gibt es immer noch Kritiker, die Zweifel vorbringen.

Wenn ich mir die weiter unten stehenden Forschungsergebnisse ansehe, empfinde ich gemischte Gefühle. Einerseits freue mich und denke, ja endlich haben wir eine Bestätigung. Andererseits denke mir, dass ich das ja eigentlich schon längst weiß, beobachtet und gefühlt habe. Leider gelten Gefühle und Wahrnehmungen Einzelner nicht mehr als stichhaltig genug, um sie ernst zu nehmen. Genau aus diesem Grund fühlt sich die hochsensible Minderheit in unserer Gesellschaft meist wie von einem anderen Stern: unverstanden und als Außenseiter. Diese statistische Bestätigung ist etwas für Skeptiker und Zweifler.

Da besonders Hochsensible an sich zweifeln, wird es Ihnen Sicherheit geben, wenn Sie wissen, dass es zumindest einige Professoren und Doktoren der Psychologie gibt, die sich wohlwollend und ernsthaft der Hochsensibilität als Forschungsthema widmen. Wenn Sie zu den Intellektuellen Naturen gehören, gebe ich Ihnen natürlich gern noch etwas Futter fürs Gehirn.

 

Das ist der Trailer für den amerikanischen Dokumentarfilm: Sensitive, the untold story von Dr. Elaine Aron

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Die Professorin für Psychologie Elke van Hoof hat in einem Zeitungsbericht bei „Psychologie bringt Dich weiter“ vom Oktober 2016 Forschungsergebnisse aus ihren eigenen Untersuchungen mit 1500 Versuchspersonen vorgelegt. Diese wurden an der Vrije Universität Brüssel durchgeführt.

  • Dabei zeigte sich eindeutig, dass Hochsensibilität ein Persönlichkeitsmerkmal ist.
  • Demnach haben Hochsensible einen sehr stark ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, einen guten Blick für Details und eine überdurchschnittliche analytische Fähigkeit.
  • Für Gruppen bringen sie viele Vorteile: sie können schlichten und ausgleichende Lösungen für Konflikte finden.
  • Im richtigen Umfeld können Hochsensible erfolgreich Karriere machen.
  • Allerdings zeigte die Statistik auch, dass Hochsensible häufiger unter Angststörungen, Depressionen und Burnout leiden. Dies gilt insbesondere, wenn ungünstige Umwelteinflüsse auf Hochsensible einwirken. (Biografie, soziales und räumliches Umfeld.)

Mit Hilfe von Crowdfunding und einem professionellem Filmteam realisierte die HSP-Pionierin und Psychologin Elaine Aron den ersten Kino-Dokumentarfilm über Hochsensibilität. Im September 2015 hatte „Sensitive – The Untold Story“ seine Premiere in den amerikanischen Kinos. Darin spricht auch die bekannte Sängerin Alanis Morissette offen über ihre sensitive Veranlagung und steht als prominentes Beispiel authentisch im Scheinwerferlicht.

  • Im Jahr 2014 wurde eine aktuelle Studie von Arthur und Elaine Aron und Bianca Acevedo an der Universität von Kalifornien, Santa Barbara, durchgeführt. Sie untersuchten Teilnehmer, die frisch verheiratet oder verlobt waren. Den Versuchspersonen wurden Fotos vom Partner oder Fremden gezeigt, die entweder glückliche oder traurige Gesichter zeigten. Fazit: Hochsensible können Gesichter besser entschlüsseln und Emotionen stärker mitfühlen. Dies wurde durch einen MRT-Scan des Gehirns physiologisch gezeigt. Hochsensible reagierten neuronal stärker auf Bilder des Partners und auf glückliche Fremde. Die Hirnareale, die für Aufmerksamkeit, Empathie und Selbstreflexion zuständig sind, wiesen eine deutlich höhere Aktivität auf.
  • Aufgrund der gründlichen Informationsverarbeitung erleben Hochsensible häufig Entscheidungsschwierigkeiten und brauchen länger, um Aufgaben zu lösen.
  • Aron und Aron führten Interviews mit 1300 Personen durch und leiteten später daraus die sogenannte HSP-Skala – einen wissenschaftlichen Fragebogen – ab, der das Persönlichkeitsmerkmal der Hochsensibilität erfragt. Aron konnte deutlich machen, dass Hochsensibilität als eigenständiges Persönlichkeitsmerkmal auftritt. Dabei spielt es keine Rolle, wie die Kindheit war.
  • Aron untersuchte auch die Persönlichkeitsmerkmale „Introversion“ und „Neurotizismus“ (emotionale Instabilität und Ängstlichkeit). Dabei konnten sie statistisch errechnen, dass Sensibilität zwar mit beiden Eigenschaften korrelierte, jedoch nicht identisch war. Hochsensible sind nicht mit Introvertierten gleichzusetzten, da es auch extrovertierte Hochsensible gibt. Die Angewohnheit, sich häufig zurückzuziehen, habe bei Hochsensiblen eher mit einer Strategie zu tun, um Phänomene der Überreizung zu entgehen.
  • Hochsensible mit neurotischen Merkmalen hatten stärker belastende Biografien. Dieses Ergebnis finde ich persönlich besonders wichtig, denn es gibt keine Menschen ohne soziale Prägung. Wir können Ängste und Hemmungen nicht einfach mit einem Persönlichkeitsmerkmal erklären. Unsere kindlichen Erfahrungen und die Sozialisierung spielt eine ganz große Rolle bei der Persönlichkeitsentwicklung. Da besonders Hochsensible gesellschaftlich wenig Anerkennung, Empathie und Rücksichtnahme erfahren, haben sie ein erhöhtes Risiko für Stresserkrankungen und die Entwicklung eines negativen Selbstbildes.
  • In dem mittlerweile auf Deutsch erschienen Buch „Hochsensible in der Psychotherapie“ finden sich viele detaillierte Einblicke in die umfangreichen Studien von Elaine und Arthur Aron.

Im September 2015 erschien zeitgleich zur Premiere des Dokumentarfilms in der deutschen „psychologie heute“ ein Bericht mit dem Titel „Feinfühlig“ über den aktuellen Forschungsstand zur Hochsensibilität.

  • -Psychologin Franziska Borries hat an der Universität Bielefeld eine Doktorarbeit zur Hochsensibilität geschrieben. Sie befragte 898 Personen (darunter 73% Frauen) mit Hilfe von Fragebögen. Sie ermittelte, dass es Hochsensibilität tatsächlich gibt. Ca. 17,5% ihrer Stichprobe waren hochsensibel.
  • Die Psychologin Sandra Konrad erarbeitet derzeit eine umfangreichen Studie zur Hochsensibilität an der Helmut Schmidt Universität in Hamburg.
  • Die US-amerikanische Psychologin Elaine Aron gilt als die Begründerin der Forschung zur Hochsensibilität in der Neuzeit. Sie begann 1997 ihr Forschungen an der Universität von Kalifornien, Santa Cruz. Dort entwickelte sie mit Hilfe von Fragebögen, Interview und statistischen Auswertungen die sogenannte „HSP-Skala“.
  • Im September 2015 hatte der Dokumentarfilm „Sensitive- The Untold Story“ seine Premiere in den USA. Er wurde mit Hilfe von Crowdfunding von Elaine Aron und einem professionellem Filmteam produziert. Darin werden viele interessante Lebensgeschichten vorgestellt. Sogar die bekannte Sängerin Alanis Morissette spricht in einem Interview über ihre Sensitivität.
  • Möglicherweise ist der Begriff „Hochsensibilität“ eine nicht ganz passende Übersetzung aus dem Englischen. Elaine Aron spricht ja von „highly sensitive persons“, also von hoch sensitiven Personen. Daraus leitet sich die in Europa gängige Abkürzung HSP
  • Ich verwende beim Schreiben die Begriffe „Hochsensibilität“ und „Sensitivität“ sowie „Hochsensitivität“ gleichwertig.

Buchtipp: „Hochsensibel ist mehr als zart besaitet. Die 100 häufigsten Fragen und Antworten“. 

Um es Dir leichter zu machen, in dem Wirrwarr von Informationen Klarheit zu finden, fasse ich zunächst die wichtigsten Kernaussagen zur Hochsensibilität zusammen. Ausführlichere Informationen biete ich in meinem Buch „Hochsensibel ist mehr als zart besaitet. Die 100 häufigsten Fragen und Antworten“

Sylvia Harke

Sylvia Harke

Hallo, Du liest hier meinen Blog zum Thema Hochsensibilität. Ich bin Buchautorin, selbst hochsensibel, Coach und Dipl.-Psychologin. Ich arbeite freiberuflich als Seelen-Dolmetscherin und Schriftstellerin. Mit einer selbständigen Tätigkeit verwirkliche ich meinen Traum von einem selbstbestimmten, kreativen Leben. Ich schreibe über Hochsensibilität, Sensitivität, Erfolg, Beziehungen, Talententwicklung, Kreativität, Selbstverwirklichung und Psychologie.

Hier erfährst Du mehr über mich und meinen persönlichen Weg.

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Nachweis Beitragsbild: @racorn – Shutterstock-492937555

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