Interview mit Bernhard Bühr, Heilpraktiker
Der hochsensible Mensch und seine Ernährung
Für dieses aufschlussreiche Interview konnte ich Bernhard Bühr gewinnen. Schon seit vielen Jahren beschäftige ich mich selbst mit Ernärhung, Kräutern usw. Doch Bernhard kann besonders Hochensiblen wertvolle Tipps geben, wie sie sich allergiearm ernähren können und somit fitter werden. Sein reichhalter Erfahrungsschatz liefert für den Alltag viele wichtige Hilfestellungen, egal ob in der eigenen Küche oder unterwegs.
F: Lieber Bernhard, stelle Dich bitte kurz unseren Lesern vor. Wer bist Du? Was machst Du beruflich?
Hallo Sylvia. Herzlichen Dank für die Einladung zu diesem Interview und ein Willkommen an Euch vor den Bildschirmen.
Ich heiße Bernhard Bühr, bin seit über 20 Jahren Heilpraktiker, außerdem Koch und Psychotherapeut und ich betreue hochsensible Menschen und hochbegabte Menschen mit ihren gesundheitlichen Besonderheiten. Ein besonderer Schwerpunkt sind dabei Beratungen rund um Ernährung und Verdauung. Ich bin natürlich auch selbst hochsensibel und hochbegabt und schon seit meiner Kindheit habe ich einen besonderen Bezug zu Pflanzen, Menschen und Heilkunde.
Zur Zeit lebe ich pendelnd zwischen Straubing und München, habe drei erwachsene Kinder und einen Enkel. Und außer der Heilkunde gibt es immer wieder das eine und andere größere Projekt. Dazu gehört ein Obstgarten ebenso wie die Sanierung des Hauses, in dem meine Praxis jetzt untergebracht ist. Aktuell habe ich gerade begonnen mein erstes Buch zu verfassen über die Grundlagen der Ernährung bei Hochsensibilität und Hochbegabung.
F: Wann hast Du zum ersten Mal wahrgenommen, dass Du anders und empfindsamer bist? Wie erging es Dir mit dieser Erkenntnis?
Ich war schon als Kind recht zartbesaitet und sehr wissbegierig. Ich fand das total richtig, nur bin ich damit massiv abgelehnt worden in meiner Herkunftsfamilie. Ich wurde ausgebremst, es gab Mobbing, Bossing, Übergriffe. Ich hab mich in mich zurückgezogen und dann mit 16 begonnen ein eigenständiges Leben aufzubauen. Damit habe ich dann auch eine Reise zu mir selbst begonnen und mich aus dieser Kindheit allmählich herausgearbeitet. Natürlich habe ich eine tiefere Wahrnehmung, komplexes Denken, Eingebungen usw., und selbstredend habe ich das in meiner Heilarbeit und bei meinen Projekten genutzt. Aber darüber war kaum ein Austausch möglich und so war das immer nur eine Innenwelt.
Erst durch die Bücher von Elaine Aron, Andrea Brackmann und anderen hat dieses undefinierte Anderssein eine konkrete Form bekommen. Das war 2009. Da gab es echte Aha-Momente, in denen sich das wie Puzzleteile zu einem Bild gefügt hat. Und ja, es ist ein großer Unterschied zwischen der Ahnung von vorher und der Klarheit jetzt. Ich gehe heute viel souveräner mit diesen Besonderheiten um. Da ist viel Licht in mein Leben gekommen.
F: Du hast Dich auf Ernährungsberatung spezialisiert. Brauchen Hochsensible eine besondere Ernährung? Müssen sie in diesem Bereich „schon wieder“ anders als der Rest handeln, um sich wohl zu fühlen?
Sie müssen natürlich nicht anders handeln, aber ich empfehle es dringend. Wir haben hierzulande eine absolut groteske Situation. Wir haben hier ein Schlaraffenland … übervolle Teller, aber es nährt nicht. Das ist eine bunte Tütenwelt, die krank macht. Und zwar alle Menschen. Bei uns Zartbesaiteten führt diese schlechte Ernährung nur noch viel schneller zu handfesten Leiden als bei Normalsensiblen.
F:… Warum ist das so?
Hochsensibilität geht mit Besonderheiten im Neurotransmitterstoffwechsel einher. Neurotransmitter werden nicht nur im Gehirn, sondern im gesamten Körper für die Kommunikation genutzt. Wir nehmen also nicht nur hochsensibel wahr, wir haben einen insgesamt hochsensiblen Körper und auch einen „hochsensiblen Darm“. Unser Darm reagiert wesentlich empfindsamer auf Stress aus der Nahrung. Viele Hochsensible haben deshalb Schwierigkeiten mit der Bekömmlichkeit des Essens. Deutsches Essen ist ein Durcheinander von Zutaten, überlagert, verkocht, aufgewärmt, mit Zusatzstoffen aufgepeppt. Das ist purer Stress für uns.
Hierher gehören auch die Intoleranzen, die ja geradezu typisch für Hochsensible sind. Viele Hochsensible vertragen „normales Essen“ schon wegen ihrer Intoleranzen nicht.
Weiter sind Nahrungsmittel immer auch Information für den Körper und viele von uns reagieren auch auf die Junk-Information, die wir mit diesem Essen aufnehmen. Wir nehmen Aspekte wie Tierleid, Lieblosigkeit, Hektik beim Essen usw. mit auf. Deshalb ist Achtsamkeit unverzichtbar für uns, und zwar vom Acker bis zum Esstisch.
Nicht zuletzt leben viele von uns mit einem hohen Leistungsniveau und einem hohen Stresspegel und brauchen einfach schon deshalb eine Top-Ernährung.
Eine individuell passende Kost ist also für uns ohne Alternative. Das ist kein eitles Erbsenzählen, das ist einfach schiere Notwendigkeit. … und wir sollten uns berechtigt fühlen zu essen was uns wirklich gut tut.
F: Wie wirkt sich Deiner Erfahrung nach Stress auf den Stoffwechsel / die Verdauung / den Magen usw. bei Hochsensiblen aus?
Unter Stress verbraucht unser Körper viel mehr Vitalstoffe. Der Bedarf an Vitaminen, Mineralstoffen, Antioxidantien etc. ist dann auf dem Niveau eines Leistungssportlers. Allerdings führen die beliebten Nahrungsergänzungsmittel hier nicht zum Erfolg.
Stress schwächt auch die Verdauungskraft und verstärkt alle bestehenden anderen Probleme. Oft eskalieren Verdauungsprobleme deshalb nach längerdauernden Stressphasen.
F: Wie würdest Du Deine Feinfühligkeit am ehesten bezeichnen?
Ich bin sehr empathisch und wahrnehmungsbegabt, sehr empfindsam und zugleich sehr sinnlich.
F: Wie wirkt sich Deine Sensitivität in der Arbeit als Heilpraktiker aus?
Meine Sensitivität ist eine der Grundlagen meiner Arbeit. Es geht immer wieder um die Fragen: Gibt es eine Intoleranz oder Allergie? Was ist stressbedingt und was ist ernährungsbedingt? Gibt es noch andere Einflüsse? Da braucht es ein feines Hinspüren und Abtasten mit allen Sinnen.
Und wenn die Auslöser gefunden sind, dann geht es darum, wie das in das individuelle Leben integriert werden kann. Da ist immer Intuition und Einfühlung wichtig. Und natürlich kommt beim Essen und Kochen auch das Sinnliche mit herein. Viele Betroffene müssen erst wieder lernen, zu genießen und zu mögen was ihnen guttut.
F: Bist Du ein Synästhetiker? (Verknüpfst Du mit Klängen Farben und Formen? Bist Du sehr stark assoziativ veranlagt: Lösen Gerüche, Musik oder Farben bestimmte Gefühle bei Dir aus?)
Das Thema Synästhesie kommt gerade durch meine Partnerin in mein Leben, spannend, jetzt auch von Dir danach gefragt zu werden. Ich selbst bin mir keiner echten Synästhesie bewusst. Aber natürlich sind alle meine Sinneswahrnehmungen mit Gefühlen unterlegt.
F: Wie sieht Dein Berufsalltag als Heilpraktiker aus?
Meine Arbeitsabläufe sind täglich anders, einen echten Alltag gibt es nicht. Ich habe über den Tag Beratungsgespräche. Diese Beratungen dauern typischerweise 1 Stunde, Erstgespräche 1,5 Stunden. Teils finden die Beratungen inzwischen als Videokonferenz statt oder auch in meiner Stützpunkt-Praxis in München. Dazwischen bin ich mit der Auswertung der Ernährungsjournale befasst.
Ganz neu ist jetzt eine Lehrküche und ein Gruppenraum fertig geworden, so dass ich nun auch direkt im Einzelcoaching Küchentechniken üben und noch besser an den psychischen Aspekten arbeiten kann. Ab Sommer 2017 wird es auch Workshops mit kleinen Gruppen dazu geben. Da wird es noch mehr Angebote geben, sich mit dem hochsensiblen Essverhalten auseinander zu setzen. Meine Arbeitstage sind also oft intensiv und lang und deshalb gibt es auch Ruhetage dazwischen.
F: Wo tankst Du Kraft für Deine Projekte?
Natürlich ist meine Ernährung eine Quelle der Kraft … viele Wildkräuter, Algen, täglich frisch bereitetes Essen, hochwertige Zutaten etc. Auch Sonnenbäder und Atmung gehören für mich zur Ernährung.
Regelmäßige Reflektion, geistiger Austausch, spirituelle Grundhaltung, Kuscheln, meine Liebesbeziehung insgesamt sind ganz wichtig für meine geistig-seelische Ernährung.
Und dann sind es die Projekte selbst. In diesen Projekten verwirkliche ich immer etwas von mir und meiner Liebe zu den Menschen und der Freude, wenn Menschen sich entfalten … das ist so eine Lust am Werden und Gestalten.
F: Welche Vor- und Nachteile siehst Du in Deiner sensitiven Veranlagung?
Am meisten schätze ich die Intensität, mit der ich das Leben wahrnehme und die Klarheit. Das ist einfach Leben in HD! Ich bin jetzt über 50 und ich spüre kein Altwerden, keinen Alltagstrott. Zugleich ist es auch die größte Herausforderung, zwischen geistig-seelischem Hunger und Reizüberflutung zu navigieren und dabei eine gewisse Laufruhe ins Leben zu bringen.
F: Welche drei Herzens-Botschaften würdest Du unseren hochsensiblen Lesern mit auf den Weg geben?
Sei wer Du wirklich bist. Wir versuchen unsere Sensibilität nur zu gern zu verstecken und das frisst uns auf. Das ist wie leben mit angezogener Handbremse. Wir werden nie „normal“ sein, aber wir können klasse Hochsensible sein.
Kultiviere Achtsamkeit. Achtsamkeit schließt dabei immer die Selbstfürsorge mit ein. Ich koche täglich für mich wie beschrieben und seitdem erlebe ich wie andere damit in Resonanz gehen und sich rührend bemühen mir ebensolches Essen anzubieten.
Projiziere nicht Deine Wirklichkeit auf andere.
Du erlebst die Welt anders als Normalsensible. Du hast andere Wahrnehmungen und deshalb stellen sich Dir andere Fragen im Leben, auf die Du wiederum mit anderen Lebenshaltungen antwortest. Erwarte also von anderen nicht, was für Dich naheliegend ist.
Ich bedanke mich für Euer Interesse und freue mich auch auf Rückmeldungen.
Internetseite von Bernhard Bühr, Heilpraktiker
Herzlichen Dank für Deinen Besuch und die wertvollen Informationen!
Sylvia
Buchempfehlungen * (die Bilder sind Affiliate-Links zu Amazon)
Was meinst Du?
Zum Abschluss möchte ich Dich bitten, hier einen Kommentar zu hinterlassen. Was hat Dir dieser Artikel gegeben? Welche Fragen beschäftigen Dich noch?
Bildnachweis: Petra Homeier, Fotografin
Sylvia Harke
Hallo, Du liest hier meinen Blog zum Thema Hochsensibilität. Ich bin Buchautorin, selbst hochsensibel, Coach und Dipl.-Psychologin. Ich arbeite freiberuflich als Seelen-Dolmetscherin und Schriftstellerin. Mit einer selbständigen Tätigkeit verwirkliche ich meinen Traum von einem selbstbestimmten, kreativen Leben. Ich schreibe über Hochsensibilität, Sensitivität, Erfolg, Beziehungen, Talententwicklung, Kreativität, Selbstverwirklichung und Psychologie.
Hier erfährst Du mehr über mich und meinen persönlichen Weg.
dankeschön für das Interwiev ! Lustigerweise habe ich gerade vorm Lesen noch eine Tüte Schokoherzen verdrückt 😉 Genau mit dem Thema habe ich aber gerade angefangen mich zu beschäftigen … und meine Wahrnehmung bestätigt sich endgültig dass es vor allem verschiedener Stress ist der mir seit Jahren immer wieder auf den Darm schlägt.
Und überhaupt danke an der Stelle: nachdem ich mich längere Zeit gewehrt habe etwas mit „Hochsensibilität“ als Kategorie zu tun zu haben, tauche ich durch deinen Newsletter und die Artikel, Silvia, gerade immer mehr da ein und merke wie hilfreich es für mich ist ! Ich fühle mich unter Gleichgesinnten und das tut mir so gut und hilft mir noch viel klarer zu dem zu stehen was ich brauche auch wenn es in meinem unmittebaren Umfeld keiner versteht und oft Widerstand kommt. Ich freu mich und bin gespannt auf den nächsten Artikel …Grüße von Susanne Mimo
So, nach mindestens einem Jahr Essen ohne Gluten kann ich nur sagen, Bernhard hat sehr gute Tipps. Es bekommt uns sehr geht diese neue Ernährung und dem Darm geht es auch viel besser. Vielen Dank, für diese wertvollen Informationen.